Weiße und schwarze Weihnachtsmusik in Uelsen
Hunderte Besucher erleben Musikverein und den Tostedt Community Gospel Choir
von Jörg Leune
Uelsen – Seit zehn Jahren gibt es in der reformierten Kirche in Uelsen am Vorabend des vierten Advent das Weihnachtskonzert des Musikvereins. Und diese Tradition wird vom Publikum besonders gut angenommen. Schon eine halbe Stunde vor Beginn des Konzerts gab es in der großen Kirche kaum noch einen Platz mit Sichtverbindung zum Chorraum.
In diesem Jahr hatte das Weihnachtskonzert zwei ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Den Chorraum füllte das Orchester des Musikvereins mit seinen Holzbläsern, Blechbläsern und Perkussionisten. Helga Hoogland hatte ein anspruchsvolles Programm mit symphonischer Bläsermusik einstudiert. Diese Musik speist sich überwiegend aus dem angelsächsischem Raum. So waren Weihnachtsmelodien wie „Jingle Bells“, „Rudolph the Rednoised Reindeer“ und Christmas Carols in kunstvollen Arrangements zu hören, die durchweg gekonnt und klanglich differenziert vorgetragen wurden.
Aber man spürte doch an dem etwas zurückhaltenden Beifall, dass den meisten Zuhörern diese Musik ein wenig fremd blieb. Weihnachten hat in den USA einen anderen Stellenwert und dementsprechend andere Traditionen als in Deutschland. Dazwischen erklang die wunderschöne Melodie des Adagio von Albinoni, die jedoch durch Jacob de Haans aufgefächertes Arrangement nicht an Eindringlichkeit gewann.
Dennoch war der Vortrag des Orchesters wieder ein Beweis für die gründliche Probenarbeit Helga Hooglands und die treffliche Umsetzung des Erprobten durch die überwiegend jugendlichen Instrumentalisten. Und als zum Schluss des Programms Sarah Bouwers ihre Flöte weglegte, das Mikrofon in die Hand nahm und vom Orchester begleitet den Weihnachtsoldie „Have yourself a merry little Christmas“ interpretierte und dabei weder Perry Como noch Frank Sinatra, Ella Fitzgerald oder Diana Krall wesentlich nachstand, da geriet das Publikum schier aus dem Häuschen.
Seinen besonderen Kick erhielt das diesjährige Weihnachtskonzert durch die Teilnahme des Tostedt Community Gospel Choir aus der Nordheide. Schon sein Einzug in die Kirche war eindrucksvoll genug. Zur Keyboardbegleitung beschränkten sich alle Sänger darauf zu schnipsen, ehe sie auf dem Podium unter der Kanzel Aufstellung nahmen. Die gut 20 Chormitglieder sind einheitlich in rote Roben mit einem weiß gesäumten Skapulier gekleidet. Und ihr Gospelgesang ist von einer unerhörten Eindringlichkeit und Lebendigkeit. Denn sie singen mit dem ganzen Körper.
Dieses „Rocking“ verleiht ihren Liedern ebenso viel Nachdruck wie die Lebendigkeit ihres Dirigenten Christopher Asafo-Agyei, der mit dem Mikrofon in der Hand vor dem Chor tanzt, durch die Reihen wandert und die Zuhörer predigend animiert. Es sind keine Weihnachtslieder, die der Gospelchor vorträgt. Es sind die alten Gospel-Classics wie „He’s got the whole World in his Hands“, “Hey Man” und viele andere. Aber sie alle haben die gemeinsame Botschaft “Euch ist heute der Heiland geboren”, und deshalb sind sie eben doch Weihnachtslieder.
Obwohl der Chor nicht wie bei seinen Sonstigen Auftritten von seiner Band begleitet wird, sondern nur von Bettina von Bracken am Keyboard, die sich mit dem Chorleiter im Gesang abwechselt, swingt und rockt die Musik so schön wie nur denkbar. Auch dies ist wie die Sätze des Musikvereins Amerikanische Musik, aber nicht die säkularisierter weiser angelsächsischer Protestanten sondern sie engagierter schwarzer Gläubiger.
Dabei sind fast alle Chormitglieder weiße Niedersachsen; aber man merkt: Ihnen ist ihre Sache genauso Ernst wie ihren schwarzen Vorbildern. Am Schluss Angela Fliß als Solistin vor dem Chor ebenso eindrucksvoll wie vorher Sarah Bouwers. Der Unterschied ist aber: Angela Fliß und ihre Mitsänger geben ihrer Subjektivität, ihrem Glauben Ausdruck, Sarah Bouwers interpretiert die Musik anderer. Mit einem gemeinsamen „Tochter Zion“ von Orchester, Chor und Zuhörern schloss dieses eindrucksvolle Jubiläumskonzert.
Grafschafter Nachrichten – 24.12.2003