Die altreformierte Kirche in Emlichheim bot die Kulisse für das Weihnachtskonzert des Musikvereins Uelsen. Foto: J. Lüken
Von Gerhard Herrenbrück
Das Weihnachtkonzert des Uelser Musikvereins in Emlichheim, in einem der schönsten und größten Gotteshäuser der Grafschaft, weckt Jahr für Jahr besondere Erwartungen. Das hat mit der jahrzehntelangen Tradition des Konzerts und seines spektakulären Klangkörpers zu tun. Jeder ist hier ein Könner auf seinem Instrument. Zu tun hat es aber auch mit den räumlichen und technischen Gegebenheiten: Die himmelwärts strebende Architektur, die stimmungsvolle Lichtregie, das erwartungsvolle Raunen der weit über tausend Besucher vor Beginn erhebt die Herzen und stimmt auf das Fest ein. Traditionellerweise findet das Konzert immer am Abend des 4. Advents statt. Diesmal ist das der Abend vor dem Heiligen Abend. Also fast schon an Weihnachten selbst. Man ahnt die Stille der Heiligen Nacht.
Im Raum wird es dunkel. Rhythmisches Klatschen begleitet den Auftritt der 70 Musiker, die, schwarz gewandet, den Raum in zwei langen Kolonnen durchqueren. Helga Hoogland, die Dirigentin, wendet sich mit ausgebreiteten Armen zu wortloser Begrüßung dem Publikum zu. Am Anfang des Programms stehen die weihnachtlichen Traditionals zum Mitsingen: „Adeste fideles“. Dann die christliche Weihnachtshymne schlechthin: „Tochter Zion, freue dich“. Ein gewaltiger Klang aus mehr als 1000 Kehlen, begleitet vom Orchester, in dem das tiefe Blech das Fundament bildet. Die Kostbarkeit des Augenblicks ist spürbar.
Weihnachten ist überall. Nicht nur im Traditional. Auch in den Rhythmen populärer Musik. Und Weihnachten ist ein Ereignis der Freude, die sich in dieser Musik besonders ausdrücken kann. Beispiele dafür bietet das Konzert überzeugend: Stephan Schwartz‘ Song „When you believe“, der zum Schluss als Zugabe wiederholt wird. Oder „Santa Claus is coming to town“, von Tobias Klomp weihnachtlich heiter im lässigen Swing dargeboten. Und selbst das so traurig anmutende Lied „The Rose“, das Joana Köster ausdrucksstark vorträgt, berührt unüberhörbar tiefe Glaubensfragen.
Das Erfolgsgeheimnis dieses eindrucksvollen Konzerts liegt darin, dass es in seinem Programmaufbau die ständige Wiederkehr des Gleichen vermeidet, sondern die vertrauten Lieder und Traditionsstücke im Wechsel mit überraschenden Klängen und modernen Arrangements zur Wirkung bringt. Denn Abwechslung erfreut. Das gilt auch für den Wechsel von instrumentalen und vokalen Beiträgen und von Musik und Lesung.
Diese dialogische Lesung von Friedel Oelerink und Fritz Baarlink ist seit Jahren schon ein fester Bestandteil und Höhepunkt des Weihnachtskonzerts. Damit wird das Programm seinem Anspruch gerecht, nicht nur flotte Unterhaltung zu bieten, sondern die Besinnung auf die Weihnachtsbotschaft in die Mitte des Abends zu stellen. Das vertraute weihnachtliche Geschehen im Stall von Bethlehem wird aus der heiteren Perspektive von Ochs und Esel betrachtet, mit erstaunlichen Einsichten für die Zuhörer von heute, die alles über die Weihnachtsgeschichte zu wissen meinen. Und das Orchester mit dem schönen Euphonium-Solo von Jannik Jansen antwortet auf die Lesung mit dem „Ox and Donkey-Blues“, langsam und rhythmisch, gewissermaßen zum „Nach-Denken“. Einfach klasse, das Ganze! Wie überhaupt das Orchester durch den ganzen Abend hindurch mit seiner rhythmischen Präzision, seinen taktgenauen Einsätzen und seiner makellosen Klangkultur überzeugt.
Und auch die Beiträge der beiden Gesangssolisten Joana Köster und Tobias Klomp, beides hiesige Sänger mit gut ausgebildeten Stimmen, die musikalisch ein gleichgewichtiges Gegenüber zum Gesamtklang des Orchesters einzubringen haben, sind eine Bereicherung für das Weihnachtskonzert. Sie legen solistisch und als Gesangsduo eine eigenständige Spur durch das ganze Programm hindurch, stimmlich mit Substanz und nicht zu zart und ätherisch. Joanna erweist sich zudem als versierte Klavierbegleiterin, nicht nur bei ihren eigenen vokalen Beiträgen, sondern auch bei Tobias Klomp und seiner kraftvollen Tenorstimme. Und auch mit eigenen Arrangements tritt sie im Duett mit Tobias Klomp hervor: Eindrucksvoll singen die beiden den Bob-Dylan-Song „Make you feel me love“, vom Publikum mit rauschendem Beifall bejubelt.
Beifall gibt es auch reichlich zum Schluss: Stilvoll und wortgewandt und mit guten Getränken bedankt sich Pia Brill, Vorstandsmitglied des Uelser Musikvereins, bei einigen der Hauptakteure; auch bei Helga Hoogland, die vorausblickt auf das 30-jährige Bestehen des Orchesters und in Verbindung damit den Mitgliedern dankt, die über weite Entfernungen zu den Proben und Konzerten anreisen, aber dadurch die hohe musikalische Kultur des Orchesters sichern, die ein Ereignis wie das so sehr beliebte Weihnachtskonzert ermöglicht.